Flüchtlinge

Krieg und Flüchtlinge – alles weit weg?

Vor 70 Jahren, am 17. März 1945, ist mein Großvater im Krieg gefallen.

Damals war meine Mutter 13 Jahre alt, sie hatte drei Geschwister.

Meine Oma stand mit drei Kindern und einer kleinen Landwirtschaft alleine.

Die Gießener Innenstadt war durch einen Bombenangriff in den letzten Kriegswochen zerstört.

Verwaltung, Post, die Lebensmittelversorgung – alles war zusammengebrochen und musste neu aufgebaut werden.

Überwiegend von den Frauen, da viele Männer in Gefangenschaft oder vermisst waren.

Ab und zu fuhren amerikanische Panzerkolonen durch das Dorf.

Viele Deutsche mussten vor dem Krieg und dessen Auswirkungen flüchten.

Im Dorf kamen Familien an, welche aus dem Sudetenland vertrieben worden waren.

Sie wurden vom Bürgermeister auf die Familien und Häuser verteilt.

Ohne Presseberichte, ohne Gerichtsverfahren, ohne Sozialhilfe.

Sicher nicht ohne Diskussionen. Es war einfach so.

Ich wurde 10 Jahre nach dem Krieg, am 17. März 1954 geboren.

In meinen ersten Lebensjahren wohnten in unserem Haus in der Hauptstraße

meine Großeltern väterlicherseits, meine Eltern, meine Schwester und ich –

und zwei (Flüchtlings) Familien aus dem Sudetenland, insgesamt 11 Personen.

Krieg und Flüchtlinge sind für mich keine neuen Themen.

Meine Eltern haben mich und meine vier Geschwister gelehrt,

das Liebe und Vertrauen die Grundlagen für Frieden,

für eine Familie, eine Gemeinschaft, ein eine Gemeinde sind.

Auch ich sehe die aktuellen Probleme.

Ich arbeite seit 45 Jahren in der Arbeitsverwaltung und kenne die Arbeit in unserer Gemeindevertretung.

Dennoch – ich finde, wir Jammern auf hohem Niveau.

Auch die Flüchtlinge, die jetzt in unserm Dorf wohnen, sind vor einem Krieg zu uns geflohen.

Wir leben hier seit 70 Jahren im Frieden. Uns geht es gut.

Für das Geld, was wir in den letzten Jahren allein für die Rettung systemrelevanter Banken ausgegeben haben,

könnte man vermutlich nicht nur ein Bürgerkriegsland ganz neu aufbauen..

Ich wünsche uns allen Frieden.

Ich glaube, dass es in dieser Zeit nicht mehr genügt, Frieden zu wünschen.

Frieden ist eine Gemeinschaftsaufgabe – und die Flüchtlinge sind jetzt Teil dieser Aufgabe.

Ich bitte euch alle, jeder nach seinen Möglichkeiten an dieser Aufgabe mitzuarbeiten.

Für uns und unsere Kinder.